Montag, 7. April 2014

1 Monat Russland - Bisher ein Semestermärchen!

Wir sind jetzt etwas über einen Monat in Russland. Wie kann man das zusammenfassen? Da fallen mir zuerst die extremen Sachen ein: Das Wetter-Chaos! So etwas habe ich noch nie erlebt! An einem Tag durchleben wir Frühling-Herbst-Winter-Frühling. Wie kann das gehen? Und vor allem, was zieht man da an? Zuerst scheint die Sonne, Vögel zwitschern, ein leichtes Windchen weht um die Nase. Plötzlich wird der Wind kälter und stärker bis es schließlich anfängt zu schneien! Man erlebt also täglich eine Überraschung. Dann natürlich der extrem dichte Verkehr, der die Luft so schön rauchig macht und die unendlich vielen Menschen überall. Man könnte meinen die Rush hour endet hier nie. Auch das Stadtbild kann man als extrem bezeichnen: Das extrem schöne Zentrum im Vergleich zu dem extremen Ostblock etwas außerhalb, wie man sich Russland als Tourist vorstellen könnte.


      

                              Das Zentrum vs. Arbeiterviertel:

    


Die Lebensumstände sind hier ebenfalls extrem. Noch nie habe ich solch einen Reichtum so nah an Armut gesehen. Die meisten Russen leben hier unter anderen Umständen als wir es gewohnt sind. Es ist scheinbar nicht unüblich, dass in einer WG vier Mädchen in zwei Zimmern wohnen und sich zu zweit jeweils ein Bett teilen müssen. Das gleiche gilt für Familien, wurde mir erzählt. Auch auf den Straßen ist es unübersehbar. Frauen in dicken Pelzmäntel und teure Autos zwischen Obdachlosen und älteren Frauen, die sich mit eingelegtem Gemüse und Textilstoffen etwas zur Rente dazu verdienen müssen. Eine ältere Dame hat sogar Katzenbabys verkauft. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich hier bisher nicht so viele Obdachlose gesehen habe, wie bei uns.

Eine Frau bittet auf einer befahrenen Straße um Geld.
         

Dennoch sind die Menschen hier alle sehr nett und aufgeschlossen. Die meisten freuen sich, wenn man erzählt, dass man aus Deutschland kommt und betonen immer wieder die Russisch-Deutsche Freundschaft. (Die Krimkrise und das antirussische Verhalten Deutschlands ist hier scheinbar noch nicht angekommen). Dennoch ist es schwer mit Einheimischen in Kontakt zu treten, da man größtenteils mit Ausländern zusammen ist. Ein paar Russinnen haben wir aber schon kennen gelernt. Darauf kann man aufbauen! Natürlich gibt es mehr Dinge, die ganz anders sind als im strukturierten Deutschland. Generell wird hier die Meinung vertreten "kommste heute nicht, kommste morgen" und "was nicht passt, wird passend gemacht". Nach dem stressigen Visa-Verfahren ist alles, wenn man einmal im Land ist, recht ungeregelt. Uhrzeiten oder Vereinbarungen, die getroffen werden, bedeuten nicht viel - "Das ist Russland, alles ist möglich", wie unsere Tutorin uns Anfangs sagte - Je nach Lebensphilosophie kann das sehr stressig oder sehr entspannend sein. Dass wir z.B. erst nach 3 Wochen Unikurse haben, obwohl sie schon Monate vorher wussten, dass wir kommen. Dass den meisten Geschäften immer Wechselgeld fehlt und du notfalls die Ware nicht kaufen kannst oder es wird dir geschenkt. Jetzt habt mal bei diesem Geldsystem von c.a. 50Rbl=1Euro kleines und passendes Geld. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich hier sehr gut anpassen konnte und dementsprechend sehr entspannt leben kann! Hier weitere russische Kuriositäten:

     
Im Einkaufszentrum zwischen "New Yorker" und "Adidas".


So werden hier die Hausfassaden und Fenster "geputzt". Wenn du im Café sitzt und plötzlich eine Fontäne Wasser an die Scheibe knallt, ist es definitiv ein kleiner Schock.
Hier wird der Schnee nicht nur Seite gefegt, sondern nach Außerhalb abtransportiert. In der Ukraine gibt es übrigens das gleiche System, weshalb die Gullis und Abwasserkanäle regelmäßig überschwemmen, nachdem der Schnee schmilzt.
Alle Hunde und man sieht hier nur die kleinen, werden angezogen. Ich bin mal gespannt, ob das Wetter abhängig ist.








Auch kulinarisch hat Piter einiges zu bieten. Das russische Essen ist wie immer überragend. Die Stadt bietet aber auch hier ein internationales Gefühl: Es gibt italienische-, chinesische-, spanische Restaurants usw. Überwiegend findet man jedoch Sushi Restaurants. Die Russen lieeeeeeeeeben Sushi! Das einzige, was mir persönlich hier überhaupt nicht gefällt ist das Obst. Es schmeckt irgendwie nicht so, wie es müsste und wird sehr schnell schlecht. Zu guter Letzt, was ist mit den großen Themen?
Sotchi war anfangs noch relativ greifbar. Jeder Russe, auf den man traf, hatte mindestens ein Familienmitglied, das dort arbeitete.


Die Krimkrise hingegen ist hier kaum spürbar. Wenn man Russen darauf anspricht, weichen sie entweder aus oder sagen, dass sie sich nicht für Politik interessieren. Ich habe nur einmal eine Auseinandersetzung zwischen einem Ukrainer und einem Russen miterlebt. Der Ukrainer (Links) mit pro-westlicher Einstellung griff den russischen Mann (Rechts) verbal an, aufgrund der Ereignisse auf der Krim. Ich fand es sehr interessant ihren Argumentationen zu folgen. Zum Glück konnten mir kompliziertere Sätze übersetzt werden.
Als Antwort auf westliche Sanktionen gegen Russland, schreiben einige Russen nun individuelle Sanktionen gegen Obama und US amerikanische Kongressmitglieder, wie hier zu sehen. „Obama ist es untersagt unsere Toilette zu benutzen“. Das ist natürlich sarkastisch gemeint.


 Zusammenfassend kann ich also sagen, dass wir uns hier sehr wohl fühlen. Einen Kulturschock haben wir kaum, denn die Kulturen sind fremd und doch ähnlich zugleich. Ich verstehe die deutschen Vorbehalte gegenüber Russland nicht, die mir so oft begegnet sind, wenn ich von dieser Reise sprach. Die kulturellen Sehenswürdigkeiten, die bunten Palazzi überall, die vorwiegend von Italienern erbaut wurden, die Kanäle – Mir ist jetzt klar, warum St. Petersburg auch „Venedig des Nordens“ genannt wird. Einziger Unterschied: Hier stinkt es nicht ;)

        

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